Johanneskirche Thun-Dürrenast
Am 29. August 2016 fand die schicksalsträchtige Sitzung des Grossen Kirchenrats statt. Dieser beschloss zum Thema „Johanneskirche“ Folgendes (gemäss amtlicher Publikation im Thuner Amtsanzeiger vom 8. September 2016):
- Die Entwidmung des Kirchenzentrums Johannes (Rückführung vom Verwaltungs- ins Finanzvermögen der ref. Gesamtkirchgemeinde Thun) wird genehmigt.
- Kirchliche Nutzung: Die Kirchgemeinde Thun-Strättligen bestimmt zusammen mit dem Kleinen Kirchenrat, bis wann das Kirchenzentrum Johannes benutzt werden kann. Die Nutzung erfolgt bis längstens 31. Dezember 2018; dies unter der Voraussetzung, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine grösseren Reparaturen entstehen. Andernfalls entscheidet der Kleine Kirchenrat über eine Schliessung.
- Verhandlungsmandat: Der Kleine Kirchenrat wird ermächtigt, Verhandlungen mit möglichen Interessenten zu führen und Entscheidungsgrundlagen zuhanden des Grossen Kirchenrats vorzulegen.
Referendum: Gemäss Art. 9 Abs. 2 Organisationsreglement der evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde Thun vom 26. November 2012 unterliegen die oben publizierten Beschlüsse nicht dem Referendum.
Die Geschichte
Vorgängig:
An zwei Kirchgemeindeversammlungen fanden in Strättligen Diskussionen um eine Reduktion der Kirchenstandorte statt. Nach Erhebungen einer professionellen Agentur wurde die Kirche Gwatt als am wenigsten wichtig beurteilt. Der Druck auf den Kirchgemeinderat Strättligen vom KKR aus war gross und so legte er der Kirchgemeindeversammlung im Frühjahr 2016 die Empfehlung an den Kleinen Kirchenrat, einen Verzicht auf die Kirche Gwatt vor.
Nicht die Gwatter, sondern die in der nähe der Johanneskirche wohnenden, stellten dann an dieser Versammlung den Antrag, auf die Vorlage nicht einzutreten und dem KKR klar zu machen, dass ohne Gebäudekonzept keine Kirche geopfert werde. Der Antrag wurde mit grossem Mehr angenommen und weitergeleitet.
Ohne weitere Verhandlungen traktandierte dann der KKR am 29.8.16 die Aufgabe der Johanneskirche.
Die drei Beschlüsse (s. oben) wurden durch den Grossen Kirchenrat genehmigt, unter bewusster Abwesenheit der meisten Strättliger Vertretungen. Sie hatten keine Chance.
Im Nachhinein erfuhr man, dass bei der Gesamtkirchgemeinde die Johanneskirche schon lange auf der Abschussliste stand, weil die Mittel für deren Sanierung (über 5 Mio. Franken) nicht zur Verfügung stehen sollten. Die Arbeiten und Diskussionen in Strättligen waren also nur ein unnötiges Geplänkel.
Der Aufschrei
Die zwei Hauptakteure an der Kirchgemeindeversammlung vom Frühjahr 2016, Oliver Jaggi und David Pfister, fanden sich dann zusammen und beschlossen, etwas gegen die Beschlüsse des GKR zu unternehmen. Sie konnten viele beherzte Strättliger finden, unter Anderen auch den Frauenverein und weitere Freiwillige. Bei einer Besprechung in der Joki beschloss man einen Verein zu gründen und eine Initiative gegen die Beschlüsse zu injizieren. Wir hatten sechs Monate Zeit für das Sammeln der Unterschriften. Der Verein wurde im November 2016 gegründet, eine Woche danach starteten wir mit der Unterschriftensammlung. Es kamen fast anderthalb mal soviele Unterschriften zusammen, wie gefordert wurden (>1500).
Da eine Initiative keine aufschiebende Wirkung hat, befürchtete man, dass dann der Verkauf oder Versprechen des KKR für eine Rückgängigmachung schon zu weit fortgeschritten seien.
Deshalb haben dann einige künftige Vereinsmitglieder schon im Oktober 2016 eine Verwaltungsbeschwerde beim Regierungsstatthalteramt eingereicht. Diese hatte aufschiebende Wirkung und war deshalb ein Schutz für die Initiative. Die Beschwerde wurde abgewiesen. Wir zogen sie weiter ans Verwaltungsgericht, das dann aber erst entscheiden wollte, wenn das Ergebnis einer Abstimmung aufgrund der Initiative vorlag.
Das Vorstandsmitglied des Vereins, David Pfister wurde per 1. Januar 2018 in den Grossen Kirchenrat der Gesamtkirchgemeinde Thun gewählt/delegiert. Er ist ehemaliger Präsident der Baukommission und ehemaliges Mitglied und Präsident des Kleinen Kirchenrats. Er erhoffte sich, auf das Geschehen in der GKG einen Einfluss nehmen zu können. Falsch gedacht!
Presse
Nach schwachem Interesse an der Johanneskirche durch die Gesamtkirchgemeinde veröffentlichte der Verein im Januar 2021 folgende Pressemitteilung:
Die Stimmbürger haben sich vor drei Jahren mit grosser Mehrheit für einen Erhalt der Johanneskirche ausgesprochen und damit dem Kleinen Kirchenrat unmissverständlich den Auftrag zur Bewahrung des denkmalgeschützten Gebäudes erteilt.
Die Idee, für die Weiterführung der Johanneskirche Partner zu suchen, findet der Vorstand des Verein Proki diskutabel. Wichtig ist aber, dass die Johanneskirche ihren Charakter als Quartierzentrum behalten kann. Die Zusammenarbeit mit einem aussenstehenden Partner würde sicher auch dazu führen, dass der Unterhalt des Gebäudes, der von der Gesamtkirchgemeinde seit Jahrzehnten vernachlässigt wurde, wieder in geordnete Bahnen kommt und die augenblicklich offensichtlichen Mängel: Undichtes Dach, marode Heizung, altersschwache eklektische Installation und das Fehlen von geeigneten Reinigungsgeräten zeitnah behoben werden und solche Missstände nicht wieder auftreten.
Anlässe
Am 1. Dezember 2016 fand der erste Infoanlass zur Unterschriftensammlung in der Joki statt.
Ein weiterer Anlass des Vereins war am 19. Mai 2017 mit Visionen für die Zukunft von Joki und Kirchgemeinde..
Am 27. November 2017 beschloss der Grosse Kirchenrat, seine Beschlüsse nicht zurückzuziehen und die Vorlage an eine Urnenabstimmung zu bringen.
Im April 2018 gab der Thuner Stargeiger Alexandre Dubach ein Solidaritätskonzert zu Gunsten der Johanneskirche.
Der Verein organisierte dann am 6. April 2018 noch eine Orientierungsversammlung zur Abstimmung.
Am 19. Oktober 2022 fand eine weiterer Vereinsanlass in der Joki statt:
- Dr. Bernhard Furrer, Denkmalpfleger referierte über die Bedeutung und den Zustand der Johanneskirche
- Prof. Dr. Johannes Stückelberger, Uni Bern berichtete über Nutzungs- und Umnutzungsmöglichkeiten von Kirchengebäuden
- Leticia Kahraman, Sopran und Andreas Menzi, Orgel und Klavier bereicherten den Abend mit Musik.
Mediation
Der Ausgang der Abstimmung war nun für beide Seiten relativ ungewiss. So fragten wir beim Kleinen Kirchenrat an, ob Gespräche untereinander möglich wären. Der KKR schlug eine Mediation vor, unter Beizug des Kirchgemeinderats Strättligen. Die Mediation startete mit je 3 Personen von KKR, KGR und Verein. Auf Vorschlag des KKR wurde zu Lasten der GKG ein Berner Fürsprecher als Mediator beigezogen. Zwei Besprechungen fanden vor der Abstimmung statt, eine danach. Es konnten keine Einigungen erzielt werden. Nach diesen drei Zusammenkünften gab man auf.
Die Abstimmung
Am 29.4.2018 fand die erste Urnenabstimmung in der Geschichte der Gesamtkirchgemeinde Thun statt.
Ausschnitt aus dem Pressetext des Kleinen Kirchenrats zur Empfehlung: Ablehnung der Initiative:
Die Initiative nimmt in Kauf, dass beim Personal abgebaut wird. Dies bedeutet, dass auch die Gemeindearbeit reduziert wird. Zudem fehlen die Mittel zur Sanierung weiterer kirchlicher Liegenschaften. Ferner müssten eine oder mehrere Kirchen in einer der fünf Kirchgemeinden einer Umnutzung zugeführt werden, auch wenn sie dafür weniger geeignet wären.
Die Abstimmung ergab mit 57% ein ja zur Initiative und damit zur Ablehnung der Beschlüsse des Grossen Kirchenrats. Die Kirche ist vorerst gerettet
Mit diesem Ergebnis fand die Rekursrichterin, dass die Verwaltungsbeschwerde abgeschrieben wird. Damit ist auch keine rechtliche Beurteilung des Rekurses erfolgt. Uns wäre das für die Zukunft wichtig gewesen.
2018 wurde die Johanneskirche zum Leidwesen des KKR unter Denkmalschutz gestellt. Schützenswert!
Leidensweg, nur kurz:
2025 ist die Kirche immer noch im gleichen Zustand wie vor 20 Jahren. Es existiert ein Vorprojekt für deren Sanierung. Im Finanzplan ist für die nächsten zehn Jahre kein Geld dafür vorgesehen.
Das Pfarrhaus Johannes steht seit 12 Jahren leer. Die Verwaltung hat es fertiggebracht, eine Sanierung zu verhindern, weil damit das Schicksal der Joki verbunden ist und man eigentlich beides noch los werden möchte. Nun ist immerhin ein Sanierungsprojekt erstellt worden. Der Grosse Kirchenrat hat bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Vorlage dafür erhalten.
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